Ist Volkswagen das neue Nokia?

by Volker Weber

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Wenn ich die News zu Volkswagen lese, muss ich immer häufiger an Nokia denken. Nokia konnte alles: Handys in großen Stückzahlen weltweit in vielen Varianten produzieren, neue Produkte entwickeln, Preise und Features differenzieren, über alle Carrier der Welt absetzen. Das Unternehmen hatte einen dominanten Marktanteil und schien unsinkbar.

Was Nokia nicht konnte, war Software. Das N97 war die Antwort der Finnen auf das iPhone. Und es markierte den Anfang vom Ende.

Comments

Ich arbeite seit geraumer Zeit als Software-Entwickler in der Automobilbranche und setze mich auch in meiner Freizeit ein bisschen mit der Entwicklung für Fahrzeug-Apps auseinander.
Ich kann deine unterschwellige Vermutung nur stützen. Keiner der Fahrzeughersteller - der hier ansässigen, großen - hat begriffen, dass Ihre Fahrzeuge eigentlich nur fahrbare Gehäuse für eine Menge Computer sind und dass die wichtigen Werkzeuge weniger der Schraubenschlüssel und viel mehr der Compiler geworden ist.

Robert Schneider, 2020-06-22

In dem Kontext sah ich diesen "rant" zu dem Thema: https://www.elektroauto-news.net/2020/peter-mertens-ex-leiter-forschung-entwicklung-audi-wir-haben-geschlafen-es-wird-blutig

Die Hauptthese ist, dass die klassische Automobilindustrie Softwaretechnisch ein riesiges Sammelsurium an Software hat - nämlich verteilt über die hunderte Automobilzulieferer. Das zu fixen wird hart.

Frank Quednau, 2020-06-22

Volkswagen war der erste große traditionelle Hersteller, der die eigene Panik zugegeben und sich dann öffentlich hingestellt und den Schwenk der Produktion auf BEV angekündigt hat. Jetzt setzen sie diesen Plan um. Das passiert vielleicht Jahre später als nötig, aber andere Verbrenner-Hersteller sprechen heute noch vom geilen Verbrenner-Sound, Technologieoffenheit und Wasserstoff.

Als betroffener Besitzer eines Schummeldiesels nehme ich VW vieles übel, aber im Moment sieht es danach aus, dass sie den Flugzeugträger tatsächlich in eine neue Richtung umlenken wollen und auf dem Weg dorthin auch schon vieles geschafft haben.

Nokia hatte nach meiner Beobachtung zum gleichen Zeitpunkt der Entwicklung immer noch die neue Smartphone-Konkurrenz ausgelacht und dann zu spät hausintern mehrere experimentelle R&D-Projekte wie zB Maemo parallel betrieben, von denen aber intern keines wirklich erstgenommen wurde und auf keinen grünen Zweig kommen konnte.

Hanno Zulla, 2020-06-22

Das betrifft den Antrieb, aber nicht die Software. Welcher Antrieb richtig ist, wissen wir noch nicht.

Volker Weber, 2020-06-22

Volkswagen hat auch die Entwicklung einer eigenen Software-Plattform in Arbeit. Über deren Fortschritt und Qualität kann ich nicht urteilen, aber sie haben das Problem zumindest früher erkannt als imho Nokia seinerzeit.

Hanno Zulla, 2020-06-22

Nokia konnte Software damals auch. Dachten Sie jedenfalls.

Volker Jürgensen, 2020-06-22

Das könnte VW passieren, ja. Sie haben zumindest erkannt dass etwas faul ist und versuchen es zu korrigieren. Ob sie die richtigen Maßnahmen ergreifen wird man sehen.

Wenn es um VW schon so kritisch ist, wie schwierig ist dann die Lage für BMW, Mercedes, PSA, Renault, Fiat, ...

Wenn man eben immer weiter "nur" das macht was man schon kennt, rennt man irgendwann gegen die Wand. Es ist auch ungleich schwieriger von null etwas anzufangen als so Riesen umzubauen. Daran sind auch schon einige große IT Firmen gescheitert. Aber für solche Aufgaben werden die Top-Manager ja bezahlt. Hoffentlich sind sie auch "top" genug.

Andreas Linde, 2020-06-22

Ich halte in meinem kleinen Aktiendepot sowohl VW als auch Tesla. Tesla leider zu spät gekauft (und zu wenig), aber natürlich trotzdem >50% im Plus. VW im Übrigen auch positiv.
Tesla versteht man erst wenn man das Produkt mal selbst erlebt hat, in meinem Falle bei einem Kollegen. Die haben schon mind. 5 Jahre Vorsprung ggü. den „Altvorderen“. VW aber versucht zumindest, den Vorsprung zu verringern, MEB ist zumindest der richtige Schritt. Für den Konzern war der Dieselskandal quasi ein Glücksfall, auch wenn diese Meinung wohl eher die Ausnahme darstellt. Was man aber nicht vergessen darf: Die Autoindustrie lebt in anderen Zyklen als das bei Smartphones der Fall ist, sowohl in Bezug auf die Anschaffung als auch die Langlebigkeit der Produkte. Und noch verdient VW viel Geld mit Ihren Autos, richtig distruptiv ist Tesla noch nicht. Außerdem baut Tesla ja kein eigenes Ökosystem auf wie das seinerzeit Apple tat. Insofern halte ich den Abgesang der deutschen Autoindustrie noch für voreilig. Wie aber schon oben erwähnt, anders sieht das bei den Zulieferern aus. Wobei zumindest ja Bosch schon früh auf z.B. E-Bikes gesetzt und sich da einen guten Marktanteil gesichert hat.

Roland Dressler, 2020-06-22

Ich fahre nun seit 1,5 Jahren mein Tesla Model 3 und bin vorher immer PKWs aus dem Hause Volkswagen gefahren (VW und Audi).

Was Tesla sehr, sehr gut macht ist Software. Ein Tesla ist ein Software Produkt das mit jedem Software Update dazu lernt und besser wird. Ich freue mich auf jedes Update alle zwei bis drei Monate mit der Überraschung was dazu gekommen ist. Das war beim ersten iPhone ähnlich.

Was Tesla nach wie vor nicht kann, perfekte Autos bauen! Tesla hat immer noch Probleme bei der Verarbeitungsqualität. Das war bei meinem Model 3 so und ist beim Model Y jetzt auch wieder so.

Apple hatte den Detail versessenen kreativen Steve Jobs. Tesla hat Elon Musk. Beide leben bzw. lebten für Ihr Produkt. Ich sehe bei BMW, Daimler oder Volkswagen niemanden der diese Rolle übernimmt, seine eigene Vision umzusetzen. Alle drei insbesondere VW probieren Tesla einzuholen und zu überholen. Aber die große Vision ... die nicht schon Tesla hatte, sehe ich nicht.
Nokia und Blackberry ging es mit Apple bzw. später Google, die in den Markt für Mobile Endgeräte mit einem neuen runden Konzept eingestiegen ist ähnlich. Und wo sind sie heute?

Würde ich mir wieder einen Tesla kaufen. Definitiv.
Würde ich mir einen Volkswagen ID.3 kaufen. Aktuell wohl nein.
Beim ID.3 werden definitiv alle Spaltmaße stimmen, aber die Software und die Updatefähigkeit, da habe ich so meine Zweifel. Und das ist eigentlich das, was ich an meinem Tesla und auch bei meinem Apple iPhone oder meiner Apple Watch so schätzen gelernt habe. Sie werden immer besser, mit jedem Software Update.

Detlev Poettgen, 2020-06-22

Ach so einen Kommentar noch zu Rolands Kommentar:
"Außerdem baut Tesla ja kein eigenes Ökosystem auf wie das seinerzeit Apple tat. Insofern halte ich den Abgesang der deutschen Autoindustrie noch für voreilig."

Tesla baut gerade ein sehr großes Ökosystem auf bzw. hat es schon. Tesla baut nicht nur Autos, sondern hat eine eigene sehr gut funktionierende Ladeinfrastruktur, Akku-Fertigung, Tesla Powerwalls und Solar / Solar Roof fürs Heim und aus diesem Ökosystem wird ein Schuh. In Europa ist Tesla im Bereich Powerwall und Solar nicht wirklich aktiv. In den Staaten ist es aber anders.
Ich "betanke" und fahre meinen Tesla seit Ende Februar zu 100% von der PV-Anlage auf meinem Dach. Auf das Solar Roof von Tesla konnte / wollte ich nicht warten.

Detlev Poettgen, 2020-06-22

Weder VW noch einer der anderen traditionellen Autohersteller haben einen Elon Musk oder einen Steve Jobs. Das ist korrekt, muß aber nicht automatisch schlechter sein.
Bedauerlich wird es, wenn konzerninterne Ansätze, die das Zeug zum Aufrollen des Marktes haben (BMW i Projekt) erst ausgebremst und dann in den Konzerngüterzug wieder eingegliedert werden. Das kostet zu viel Energie. Mit mehreren solcher interner Startups - eins für Ladeinfrastruktur, eins für Software, eins für Powerwalls - hätte BMW heute womöglich ein ähnliches Ökosystem wie Tesla.

Axel Koerv, 2020-06-22

Vor 15 Jahren hatte ich im Rahmen der Embedded World Konferenz kundgetan, daß automobile Software so wie wir sie damals kannten, in absehbarer Zeit an die Wand fährt. Gut, ein bischen steuern wir mit Adaptive Autosar gegen, aber wie oben schon geschrieben, es ist ein Güterzug oder ein großes Schiff was da gesteuert wird.
Damals hatte ich auf Design for Safety gesetzt, inzwischen ist Security dazugekommen, und solche Qualitätsanforderungen mit Kostendruck unter einen Hut zu bringen ist nicht trivial.
Apple verkauft Nicht-Standard Hard- und Software mit ordentlich Aufschlag, ob das bei Autos auch so funktioniert .. ?

Bernhard Kockoth, 2020-06-23

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